Das Plätschern des Regens in meinen Ohren und die kühle Brise, die durch das gekippte Fenster in unser Schlafzimmer weht, streicheln mein Gesicht. Ich erwache mit einer leichten Gänsehaut an meinem ganzen Körper. Eingerollt in zwei Decken wie ein gefülltes Weinblatt (auch Sarma genannt), drehe ich mich auf die andere Seite und blicke in Moris‘ Gesicht, der bereits wach ist. Stolz hält er sein neues iPad in der Hand, grinst mich an und widmet sich wieder den Sporthighlights auf YouTube. Ich lächle, hebe meinen Arm hoch, als ob ich einen Zauberstab in der Hand halten würde, und schreie laut: „Expelliarmus!“ Dann drehe ich mich auf den Rücken und muss schlagartig noch mehr lächeln. Moris starrt mich entgeistert an und schüttelt nur den Kopf. Was für ein herrlicher Morgen! Und vor allem wird es ein perfekte Tag sein – der perfekte Harry Potter Tag mit Meltem und Jessy.
Wer Meltem und Jessy sind? Nun, jeder von uns hat diese eine beste Freundin oder diesen einen besten Freund, mit dem man alles teilen kann, von den banalsten und peinlichsten Momenten bis hin zu den tiefsten und dunkelsten Geheimnissen. Das Schicksal hat es gut mit uns gemeint und uns sogar zu Cousinen gemacht. Wer uns kennt, weiß, dass wir seit der Geburt unzertrennlich sind. Um Luka, meinen Schwager in Spe, einst zu zitieren: „Ihr seid wie Tick, Trick und Track“.
Da wir nicht nur gleiche Mimiken und Gestiken haben, den gleichen Freundeskreis besitzen und in derselben Stadt wohnen, berufen wir auch mindestens einmal die Woche einen Videocall ein, in dem wir uns stundenlang mitteilen, über Gott und die Welt philosophieren und uns selbst bis ins kleinste Detail immer und immer wieder analysieren. Hierbei werden auch regelmäßige Harry Potter Filmnachmittage geplant. Wie auch der heutige – mit nur einer kleinen Änderung. Wir sehen uns den Film dieses Mal konzentriert und schweigend an. Da wir ununterbrochen schwafeln und ständig die Schnäbel offen haben, kennen wir zwar die Story in- und auswendig, entdecken aber immer wieder Szenen im Film, die wir so noch nie gesehen haben, wo wir uns gegenseitig mit aufgerissenen Augen schockiert ansehen und feststellen, dass wir uns eindeutig zu oft ablenken lassen. Nicht aber heute – hoffe ich zumindest.
Ich springe aus dem Bett, gebe Moris einen Kuss und reiße die Vorhänge auf. Draußen ist es grau, regnerisch und um es gelinde auszudrücken, verdammt kalt! Ich sag ja, perfekt! Schnell schlüpfe ich in meine Gryffindor-Socken und husche in die Küche. Ich binde mein Haar zusammen und krempel meine Ärmel nach oben. Jetzt werden erstmal Zimtschnecken gebacken (falls du dich fragst, wie? Schaue in meinem Beitrag „DIE WELTBESTEN ZIMTSCHNECKEN“ vorbei – du wirst es nicht bereuen!). Diese sind bereits so vorbereitet, dass sie nur noch in den Ofen geschoben werden müssen. Danach mache ich mich daran, die Brotzeit vorzubereiten. Brotzeit, das ist das Schöne, kann so vielfältig ausgerichtet werden, wie man es möchte. Wir, wie man uns kennt, wenn wir hungrig sind, essen am liebsten ALLES zusammen, weshalb wir uns auch immer am Ende für Brotzeit entscheiden. Das körnige Brot, bestrichen mit Frischkäse und Marmalade, wird mit Pommes und Chicken Wings vernascht (Gemüsesticks, Dips und Salat dürfen hier natürlich auch nicht fehlen). Zum Nachtisch gibt es frisches Popcorn aus dem Kino (Geheimtipp von Jessy) und zum Nach-Nachtisch warme Zimtschnecken. Ja, wir Frauen können und essen in der Regel so viel. Wir vertuschen es nur gerne, um wenig bis keine Aufmerksamkeit dafür zu bekommen, WIE VIEL wir in Wirklichkeit essen können. Denn seien wir doch mal ehrlich: KEINER auf diesem Universum ist nach einem halben Döner (Pizza, Sandwich etc.) wirklich satt! Wenn wir die restliche Hälfte an unseren Partner übergeben, weil wir angeblich nicht mehr können, sehen wir ihm nicht bis zum Ende dabei zu, wie er aufisst, weil wir ihn so sehr lieben, sondern weil er uns unser verdammtes Essen weggenommen hat und wir nicht zugeben können, dass wir am liebsten noch zwei weitere Döner essen könnten. Es ist nicht leicht, die verletzliche, hübsche Maus mit einem Kindermagen zu spielen.
Den Tisch mit allen Köstlichkeiten vorbereitet und schön dekoriert, hole ich die frisch bezogene Bettwäsche (Dank Moris Hilfe) und mache aus unserer Couch ein Himmelbett. Danach zünde ich alle Kerzen im Wohnzimmer an und öffne auf der Boombox folgenden Titel:
JETZT ist alles perfekt! Moris verabschiedet sich von mir, da er mit seinem Freund ins Stadion geht (Go VfB). Minuten später klingelt es endlich an der Tür. Ich öffne die Haustür und höre von unten, wie Meltem und Jessy lachend die Treppen nach oben laufen und sich gegenseitig nach hinten ziehen, damit der andere bei dem Wettrennen gewinnt. Schnell die Schuhe ausgezogen, umarmen wir drei uns und springen und schreien glücklich mit unseren gemusterten und plüschigen Pyjamas im Kreis herum.
Bevor wir uns dem Film hingeben, nehmen wir uns (einige Stunden) Zeit um uns ausgiebig zu unterhalten und auszutauschen. Wir trinken Literweise Tee während wir uns das Essen schmecken lassen. Nach vollen Bäuchen inkl. Lachanfälle und Tränen, rollen wir uns auf die Couch und machen es uns dort gemütlich. Mit Popcorn und Zimtschnecken auf unserem Schoß starten wir den ersten Teil (wir hatten davor noch einige Minuten diskutiert, mit welchem Teil wir anfangen sollen – die ersten beiden Teile sind bei uns nicht so beliebt). In den ersten Teilen tauchen wir vollständig in die Welt der Magie ein und sind Mucksmäuschenstill. Ich muss gestehen, ich hielt es nicht sehr lange aus und musste mehr oder weniger meinen Senf zu den Filmen abgeben (seid mal ehrlich Harry Potter und Ginny Weasley? – 🤢 da hab ich noch mehr romantische Feelings zu meiner Couch). Wir schaffen es tatsächlich bis zum vierten Teil auch mit dem ein oder anderen Plausch.
Ruckartig, und daran merkt man 30 zu sein, springen die Mädels gähnend auf, klatschen in die Hände und verabschieden sich… um 17 Uhr. Es ist immerhin schon spät denken wir uns. Meine 83-jährige Oma denkt das auch…
Was für ein gelungener Tag! Und hier kommen wir nun zu den drei wichtigsten Punkten bzw. besten Tipps für einen perfekten Harry Potter Tag (vielleicht auch nur für die gemütlichen Couchpotatoes & Ü30 unter euch 😅):
- Ein idealer Filmtag, insbesondere Harry Potter-Filmtage, entfalten ihre Magie an diesen grauen, regnerischen Tagen (Wochenendtage bevorzugt). Sie geben einem ein leicht düsteres aber dennoch warmes und kuschliges Feeling, dass dir nichts anderes übrig bleibt, als sich in deiner dicksten Decke mit Wärmflasche einzurollen.
- Wenn ihr diesen Filmgenuss bereits um 10/11 Uhr beginnt, erwacht automatisch das innere Kind in euch. Das Gefühl, sofort nach dem Aufstehen einen Film zu sehen, war für uns Kinder damals wie Weihnachten und Silvester zugleich.
- Holt euch geile Snacks! Das wird oft unterschätzt und ist sozusagen die Kirsche auf der Sahnehaube! Die Zimtschnecken (und vor allem dieser Zimtgeschmack) haben hier beispielsweise den Film unterbewusst perfekt unterstrichen.
Ihr glaubt mir nicht? Probiert es aus und überzeugt euch selbst. Viel Spaß bei eurem perfekten Filmtag!
– Missetat begangen ⚡️xoxo Coco Chansel
PS: Wie sieht euer perfekter Filmtag aus? Und noch wichtiger: Was ist euer Lieblings-Harry Potter Teil?
4 Antworten
Immer wieder einfach genial und amüsant. Ich habe euch direkt vor Augen. Sehr schön geschrieben.
Sehr schön geschrieben !! Mehr davon bitte 🙂 dieser Moris scheint ja wirklich ein verdammt cooler Typ zu sein
Macht mein Herz Leviooosa! Wie kann man Dinge so magisch schreiben, es verblüfft mich immer wieder aufs Neue!